(K)eine Frage der Ehre:

Brauche ich eine Therapie?

03
.
02
.
2023

Coaching ist cool – aber Therapien sind immer noch tabuisiert? Höchste Zeit umzudenken!

Coaching gehört nicht nur in Führungsetagen längst zum guten Ton. Den wertschätzenden Kommunikationsstil mit den Mitarbeitenden? Hat man mit seinem Coach erarbeitet. Endlich eine gesundheitsförderliche Work-Life-Balance gefunden? Dank der Reflexion im Coaching. Auch die ersehnte Beförderung, der gründlich überlegte Jobwechsel in der Midlife-Crisis und das neuerdings erfolgreiche Zeitmanagement – alles Resultate der zielorientierten Arbeit zwischen Klient:in und Coach. Das kann man ruhig zugeben, das ist nicht peinlich. Schließlich war es ein Dialog auf Augenhöhe. Und die Hauptarbeit hat im Coaching eh der weitgehend störungsfreie Klient gemacht. Darauf kann er oder sie zurecht stolz sein. Oder?

Und was ist mit Psychotherapie?

Lange Zeit allzu stigmatisiert: Namen von guten Therapeut:innen wurden nur hinter vorgehaltener Hand weitergeflüstert, Termine im Kalender mit blumigen Umschreibungen unkenntlich gemacht. Wer eine Therapie in Anspruch nahm, wurde schnell als krank oder schwach eingestuft, ein ganz schwieriger Fall, das haben wir uns ja schon lange gedacht.

Seit einigen Jahren ändert sich das. Zum Glück, wie ich finde. Möglicherweise haben die Pandemie und die daraus erwachsenen übergroßen Belastungen und Sorgen, die so viele Menschen teilten, für eine veränderte Wahrnehmung und Bewertung gesorgt. Wir sprechen wieder offener darüber, wenn wir uns Unterstützung holen. Berichten von Therapie-Erkenntnissen und kleinen Erfolgen. Achten aufeinander und geben den Namen unserer Therapeutin weiter, ganz ohne Flüstern.

Es ist keine Frage der Ehre mehr zu sagen: Ich mache gerade eine Psychotherapie. Und die hilft mir sehr.

Betroffen sein: Längst kein Grund mehr für Betroffenheit!

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) schreibt in ihrem aktuellen Bericht über Psychische Erkrankungen, dass in Deutschland in jedem Jahr fast ein Drittel aller Erwachsenen von einer psychischen Störung betroffen ist. Zu den häufigsten Erkrankungen zählen Angststörungen, gefolgt von affektiven Störungen (Depression oder bipolare Störung) sowie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch.  

Doch psychische Störungen sind weder immer diagnostiziert, noch machen sie an der Tür Halt, wenn jemand „nur“ ein Coaching gebucht hat.

Deswegen halte ich für umso wichtiger, dass ein Coach in der Lage ist, die Grenze zwischen Coaching und Therapie klar zu erkennen. Ist meine Klientin nur gestresst oder steht sie kurz vor einem Burnout? Ist die Antriebslosigkeit meines Gesprächspartners noch ‚normal‘ oder durchlebt er oder sie gerade eine depressive Episode? Wie kann ich unterscheiden, ob ein Klient einfach unsicher ist – oder ob er eine ernsthafte Angststörung hat, z.B. vor Auftritten vor größeren Gruppen? Und was mache ich mit der Führungskraft, die im Coaching immer wieder nebenbei erwähnt, dass sie abends nur bei „ein paar Gläschen Wein“ runterkommt?

Brauche ich eine Therapie – oder reicht ein Coaching?

Wo genau verläuft die Grenze zwischen Coaching und Psychotherapie? Ab wann benötigt ein psychisch belastendes Thema eine therapeutische Bearbeitung? Mit welchen psychischen Störungsbildern darf auch ein Coach arbeiten? Für das Coaching-Magazin habe ich mich intensiv mit diesem Thema befasst und dazu das aktuelle Fachbuch „Coaching im Grenzbereich“ von Isa Schlott rezensiert. Die gute Nachricht: Es gibt zahlreiche effektive Tools und Interventionen für schnelle Veränderungen genau in diesem schmalen Bereich zwischen Coaching und Therapie. Ein gut ausgebildeter, reflektierter Coach wird erkennen, mit wem er arbeiten darf und wann seine Sorgfaltspflicht eine Weiterempfehlung des Klienten an einen therapeutisch arbeitenden Experten erfordert.

Gut zu wissen: Als Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie, ausgebildet u.a. in ressourcenorientierter Gesprächspsychotherapie und NLP, darf ich nicht nur in diesem Grenzbereich sondern ein ganzes Stück darüber hinaus mit meinen Klient:innen arbeiten. Diese Qualifikationen zu haben ist mir wichtig, denn so können wir die im Coaching aufgebaute, vertrauensvolle Arbeitsbeziehung fortführen, auch wenn sich nach und nach tiefere Anliegen und größere Probleme zeigen sollten. In diesem Fall ist es das für mich: eine Frage der Ehre.

Hier kannst Du weiterlesen

Alle news zeigen